Deshi (Schüler)

In den klassischen Kampfkünsten unterscheiden wir als Nachfolger oder Schüler des Meisters zwischen ushi-deshi (Innerer Kreis) und soto-deshi (Äusserer Kreis).

Soto-deshi ist formal der sichtbare Nachfolger des Meisters. Er präsentiert sich, erntet Ruhm, sonnt sich in der Öffentlichkeit und buhlt um die Anerkennung der Menschen. Gleichwohl vertritt er sowohl den Meister als auch den Stil und die Tradition nach Aussen. Nun, auf jeden Fall den technischen Aspekt. In der klassischen Definition wäre der soto-deshi omote. Das Sichtbare, nach Außen gekehrte, das was gesehen werden soll. Man denke an omote an der tsuka; dasselbe Prinzip.

Jedoch weicht die äußere Lehre von der inneren Lehre ab. Ist ein Meister von der Reife und Fähigkeit eines Schülers überzeugt, wählt er ihn in den inneren Kreis. Der uchi-deshi ist allerdings der eigentliche Bewahrer des Stils und der Erbe der Lehre. Ushi-deshi bleibt immer im Hintergrund und ist der Öffentlichkeit nur selten bekannt, jedenfgalls früher.

Uchi bezeichnet in Japan ebenso das Innere eines Hauses. Das bedeutet, der uchi-deshi hat jederzeit Zugang  zur Privatsphäre des Meisters, er hat Einblick in sein Alltagsleben und in seine Gewohnheiten. Das ist für die Innere Lehre der Nachfolge enorm wichtig und trägt zum wahren Verständnis der Kampfkunst bei. Jedoch gewährt kein Meister einem unwürdigen Schüler diesen Zugang, denn die Einbeziehung in das Privatleben zeugt von einwandfreier charakterlichen Eignung.

An dieser Stelle (eigentlich viel früher) muss der Schüler die Wichtigkeit und der Wert einer solchen Verbindung erkennen und entsprechend handeln. Und das über eine lange Zeit hinweg.

Transformiert in unsere heutige Zeit, bedeutet diese tiefe Verbindung NICHT Unterwürfigkeit, Götzenverehrung oder Leibeigenschaft. Im Gegenteil. Ein altes Sprichwort sagt: "Ich kann mich vor jemandem verneigen, aber ich werde mich niemals bücken!"

An dieser Stelle ist die charakterliche Eignung sowohl des Schülers als auch des Meisters von allergrößter Wichtigkeit. Geht der Meister als Beispiel voran, folgen ihm oder ihr die Schüler wie von selbst. Wenn ein Meister seine Gefolgschaft allerdings einfordern muss, steht es nicht allzu gut mit der Eignung. Sensei / deshi ist immer ein Zusammanspiel. Eine Ergänzung. Ein Kreis.