Wichtige Dinge um die Kampfkunst


Die Frage ist: Warum? Warum Kampfkunst? Warum nicht Fußball, Rodeln oder Tischtennis? Die Antwort ist: Es gibt keinen Königsweg. Im modernen Europa und vielen Teilen der Welt ist man als Mitglied eines Vereines ein Rädchen. Ein Trainer ist Nichts ohne Schüler und Schüler sind Nichts ohne Trainer.

Das Vereinsleben hierzulande ist eher geprägt von dem, was ich bei der Bundeswehr als "Kooperativer Führungsstil" kennen gelernt habe. Zugegeben, es hat Vor-und-Nachteile. Die asiatischen Kampfkünste sind weitestgehend anders aufgebaut. Eher...feudalistisch, schon streng hierarchisch. Oben steht der Soke, der Boss, der Kingpin. Europäischer Verband, Bundesverband, Landesverband, Verein. Der entsprechende Übungsleiter, Sensei (Lehrer) genannt, führt das Dōjō. Er oder Sie stellt das Wissen zur Verfügung, einen Trainingsort, die Gemeinschaft und selbstverständlich auch den Hintergrund. Nun hat es sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass ein paar der "Sensei" omnipotente Allmachtsphantasien entwickelt haben. Das mag daran liegen, dass es früher in Asien Gang und Gäbe war, dass Schüler in einer Kampfkunstschule quasi eingemeindet wurden. Sie lernten zB Jiu Jitsu, Kyudō, Sumō und Battodō, dafür putzten sie Haus und Hof und hielten Küche und Wäsche vor. Ein guter Deal, oder? Mittlerweile gibt es "Sensei" (ich schreibe das absichtlich in Anführungszeichen), die obschon gefangen in einer liberalen Struktur mit festen Gesetzen und einem dichten Regelwerk, gerade was Vereine angeht, immernoch in mittelalterlichen Ideen verweilen. Ein Schüler stellt keine Fragen. Im Dōjō wird nicht geredet und nicht gelacht. Wände anfassen verboten. Aussagen des/der Sensei werden nie infrage gestellt, selbst wenn sie sich im folgenden Satz direkt widersprechen. Psychische Gewalt an Minderjährigen ist zu tolerieren. Sexuelle Übergriffe sind zu entschuldigen und werden totgeschwiegen. Selbst wenn der/die/ Sensei Hals über Kopf ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlegen, werden keine Fragen gestellt, denn der Sensei hat ja grundsätzlich immer Recht und nur das Beste für die Schüler im Kopf.

 

NEIN.

 

Übungsleiter / Trainer / Coaches / Sensei kochen auch nur mit Wasser. Ihr Blut ist Rot, sie schwitzen, haben keine übermenschlichen Kräfte und schon gar keinen Halbgottartigen Habitus. Gottlob ist das sehr elten, aber vorhanden. Drum wähle dein Dōjō weise....

Doch was macht einen guten Sensei aus? Ich sagte einst: "Ich kann mich vor jemandem verneigen, aber ich werde mich niemals bücken!". Es ist die Verneigung, die den Unterschied macht. Ein Sensei ist Vorbild in Tat und Gedanke. Er erzieht, ohne zu unterdrücken.  Er leitet, ohne zu dominieren. Ein Sensei ist weder prahlerisch, noch laut. Seine Bescheidenheit zeichnet ihn aus. Er arbeitet für seine Schüler, nicht für sich selbst. Ein Sensei lebt mehr oder weniger nach den Regeln des Budō / Bushidō. Die Schüler eines Sensei folgen ihm freiwillig und das hat er sich mit seiner Art erarbeitet. So... so wächst die Gemeinschaft. Als homogenes Gebilde, als Einheit. Getragen von gegenseitigem Respekt.

 

Budō, als lebendiger, atmender Geist der Kampfkunst hat keine Angst davor, jeden Tag aufs Neue hinterfragt zu werden!

 

Und der Sensei ist das Sprachrohr. Kurzum: Weisheit kennzeichnet den Lehrer. Ich erinnere mich an einen Vorfall vor 50 Jahren. Der Judō - Verein in Lingen/Ems. Ich stritt mit einem Judōka. Er sagte, ich hätte unfair gehandelt, ich sagte, er wäre es. Sensei Bauszus kam und sagte, ich solle sagen, dass mein Übungspartner Recht hätte. Widerwillig sagte ich es. Nun sollte mein Partner sagen, dass ich Recht hätte. Er sagte, Nein, er hätte Recht. Sensei Bauszus warf ihn aus dem Dōjō für diesen Tag. Obschon 50 Jahre her, vergisst man solche Dinge nicht und sie prägen einen. Manche Sensei sagen, sie möchten Menschen formen. Ich halte das für Blödsinn. Ich möchte gerade jungen Menschen das Handwerkszeug geben, sich selbst zu formen, der Sensei darf uns sollte hier gerne bei charakterlicher Eignung als Vorbild dienen.

 

Kommen wir zurück zu der Frage: Warum. Ganz einfach. In einem richtigen Dōjō hat man Spaß. Man lernt etwas. Über sich, seine Fähigkeiten, seine Grenzen und mehr. Es ist auch die Abgekämpftheit, wenn man mit Muskelkater zur Schule oder zur Arbeit muss, in dem Bewusstsein, etwas geleistet zu haben. Es ist der Geist, der einen beseelt, wenn man über seine Grenzen ging. Der Stolz, wenn man eine Graduierung erreicht hat oder die Ehre für die Gesmeinschaft, das Dōjō, den Sensei und die Lehre, wenn man einen Wettbewerb bestritten und alles gegeben hat. All das geht nur in einem intakten System, genannt Dōjō.

Sensei und was es bedeutet

Zitat von Fumio Demura Sensei:
„Die Person, die du als ‚Sensei‘ bezeichnest, befindet sich aus einem triftigen Grund in dieser Position. Es scheint, dass ich heute viele ehemalige Schüler oder ehemalige Dan-Träger höre, die ihren Sensei aus einer Vielzahl von Gründen missachten. Um Ihnen zu helfen, besser zu verstehen warum ein Sensei es verdient, oder besser gesagt, Ihren Respekt verdient, lassen Sie es mich Ihnen erklären. Der Sensei ist derjenige, der sein Leben der Kampfkunst gewidmet hat, die sie dir beibringen. Du wirst nie so viele Jahre Hingabe erlangen, weil du nach ihnen gekommen bist. Der Sensei ist derjenige, der viele Tage und Nächte damit verbracht hat, sein Dojo zu öffnen, es zu reinigen, zu verbessern ... für DICH. Der Sensei ist derjenige, der Opfer gebracht hat, die du nie verstehen wirst, nur damit du einen Ort hast, an dem du in trainieren, lernen und gewinnen kannst. Der Sensei ist derjenige, der, oft zu einem hohen Preis, seine Freizeit aufgegeben hat, seine Zeit mit der Familie, Zeit, in der er viele andere Dinge tun könnte, nur damit du lernen und trainieren kannst.
Der Sensei ist derjenige, der viel Geld in sein eigenes Training investiert hat, nur um zu lernen, wie man dich richtig unterrichtet. Sensei ist derjenige, der sich oft Knochen gebrochen hat, aber trotzdem zum Unterrichten aufgetaucht ist. Gequälte Muskeln, Knochen und Sehnen, aber er tauchte trotzdem auf, um den Unterricht zu leiten. Migräne, krank, schlechter Tag... aber er ist trotzdem zum Unterricht erschienen. All diese Dinge sind Ausreden dafür, warum du den Unterricht verpasst. Der Sensei geht oft aus, damit das Dojo und die Schüler versorgt werden. Das bedeutet, dass sie aufhören, manchmal schöne Dinge zu haben, Urlaub zu machen, zum Abendessen auszugehen, mit Freunden und der Familie abzuhängen ... alles, damit du Karate lernen kannst. Der Sensei hat mehr Zeit in einem Dojo verbracht, als die meisten von euch, die mit ihm trainieren, gelebt haben. Der Sensei ist derjenige, der immer für dein Training da ist...
Der Sensei sieht oft einen Bedarf und erfüllt ihn für seine Schüler. Sie sehen dieses arme Kind, das wenig bis gar nichts hat und Trainingsgeräte braucht, und sie gehen einfach los und besorgen es ihm. Sie sehen den Studenten, der darum kämpft, Geld für den Kauf eigener Waffen für Kobudo aufzutreiben, und kaufen einfach Extras, damit sie teilnehmen können. Sie sehen, wie ihre erwachsenen Schüler ihre Jobs verlieren und sagen: "Mach dir keine Sorgen um die Bezahlung." Das ist die Rolle, die der Sensei spielt und Respekt fordert.
Ich könnte hier sitzen und mir tausend weitere Gründe einfallen lassen, warum du deien Sensei niemals, niemals respektlos behandeln solltest ... aber ganz ehrlich, ich sollte es nicht müssen. Ich hätte diesen Blog gar nicht schreiben sollen... Aber andererseits leben die Menschen heutzutage in einer oberflächlichen Welt. Vielleicht sollten wir daraus herauskommen, größer und besser werden, und dann wird sich die Welt ändern. Respektiere deinen Sensei, kümmere dich um deinen Sensei und ehre deinen Sensei... denn eines Tages wird dein Sensei nicht mehr da sein. "
Fumio Demura

Schüler

 

Personen, die man als ‚Schüler‘ bezeichnet, haben eine mannigfaltige Bandbreite. Ein Sensei kann sich niemals (und wird er hoffentlich auch niemals tun), selektieren, wer unterrichtet werden möchte. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Männer, Frauen, Große, Kleine, Schwere, Leichte, Gehandicapte, Schlaue, Dumme, Gefährliche, Harmlose, Leise, Laute....  ich habe Menschen gesehen, die keine Arme und keine Beine haben und "Bassai dai" großartig vorgeführt haben. Ich sah Menschen im Rollstuhl, die Karate lernen. Ich sah einen Mann mit nur einem Arm, der den 5. Dan im Schwertkampf erlangte. Ich sah einen Mann mit nur einem Bein auf dem Kyōtō Taikai. Ich sah einen Blinden in einem Taikai! All diese herausragenden Menschen waren Schüler und werden es immer sein.
Und doch stehst du, NUR DU ganz allein an der Startlinie bei Prüfungen oder im Wettkampf. DU, der Schüler. Detlef Uedelhoven, kyōshi, 7. Dan , sagte einmal: "Wer wird geprüft, wenn du da stehst? Du? Nein. Dein Sensei wird geprüft, also streng dich an!"
Mir ist aufgefallen, dass es mehr und mehr Sensei gibt, die ihre Schüler zusehends vernachlässigen. Sie haben keinen roten Faden im Dōjō und im Training, ziehen über Nacht ohne Vorwarnung in ein fremdes Land, lassen ihr Dōjō im Stich, sind nicht fair im Training und selektieren zwischen den "Lieblingsschülern". Lasst mich bitte erklären, warum ein Schüler, JEDER Schüler, es verdient hat, mit Respekt und Anstand behandelt zu werden. Der Schüler kommt in dein Dōjō, weil etwas seine Aufmerksamkeit erregt hat. Oder weil er eine Lösung sucht. Oder weil er eine Gemeinschaft braucht. Schüler ohne eine "Vorbildung" in den Kampfkünsten tragen in ihrem Herzen kein festes Bild des Dōjō, sondern eine Idee, eine Hoffnung. Diese darf der Sensei keinesfalls enttäuschen. Der Sensei folgt im Stillen immer der Prämisse: Wer lehrt, lernt zweimal! Der Schüler nimmt die Lehre dankbarlich auf, wächst und gedeiht. Er hilft, das Dōjō sauber zu halten, er vertritt Sensei und Dōjō nach außen, er ändert sein Leben, um dem Sensei und dem Dōjō keine Schande zu machen. Wo immer Hilfe gebraucht wird, springt er ein. Er gießt den Garten, bereitet Lehrgänge vor, er kocht Kaffee, er macht Salate und Suppen, erschafft eine Gastronomie bei Seminaren, ohne selbst teilzunehmen. Nur damit sich die Teilnehmer gut fühlen und Sensei und Dōjō in gutem Lichte erscheinen. Er fährt zum Flughafen, Bahnhof oder woanders hin, er holt und bringt Sensei, wohin er oder sie möchte. Der Schüler achtet auf das Dōjō, repariert kleinere Dinge, bringt Senseis Auto zur Reparatur. Der Schüler füllt das Dōjō mit Leben. Der Schüler ist den Weg des Sensei noch nicht gegangen, aber er ist bereit dazu. Damit die Lehre nicht stirbt. Und damit wird auch der Sensei unsterblich. Der Schüler muss zusätzlich Geld verdienen, damit er seinem Sensei in die Ferne folgen kann.
Ein gutes Dōjō reflektiert Harmonie und Brüderlichkeit. Respekt ohne Anbetung. Einigkeit ohne Herrschsucht. Harmonie ohne Falschheit. Eifer ohne Einbildung. Erfolg ohne Hochnäsigkeit. Freundschaft ohne Unterwerfung. Lehren und Lernen mit Respekt und Achtung.
Ein gesegnetes Dōjō, wer solche Schüler / Sensei hat.